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Berlin (Reuters) - Kurz vor dem Gipfel zur Stabilisierung der Euro-Zone hat die Bundesregierung den Druck auf die EU-Partner massiv erhöht.
Deutschland sei pessimistischer als noch in der vergangenen Woche, weil einige EU-Partner und -Institutionen den Ernst der Lage offenbar nicht verstanden hätten, hieß es am Mittwoch in Berliner Regierungskreisen. Ausdrücklich wurde davor gewarnt, mit "Tricks und Trickschen" die hohen Erwartungen der Märkte und der Öffentlichkeit zu enttäuschen, die einen neuen Pakt für eine stabile Euro-Zone erwarteten. "Wir brauchen dazu eine neue vertragliche Grundlage", wurde in den Regierungskreisen betont. Deutschland werde auf dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag "faule Kompromisse" nicht akzeptieren.
Wenn zur überzeugungsarbeit einiger Partner weitere Treffen bis Weihnachten gebraucht würden, sei die Bundesregierung dazu bereit, hieß es weiter. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy wollten noch am Mittwoch einen Brief mit detaillierten Vorschlägen an die EU-Kommission und EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy verschicken.
Offenbar schwindet in Berlin die Hoffnung, dass eine Vertragsänderung im Kreis der 27 Mitglieder erreicht werden kann. Als deren Hauptgegner gilt vor allem Großbritannien, dessen Premierminister David Cameron am Mittwoch in der "Times" als Gegenleistung für Vertragsänderungen Ausnahmeregelungen bei der Finanzmarktregulierung forderte. Dies gilt in Deutschland als nicht akzeptabel. Da Großbritannien mit seinem "Opt Out" vom Euro durch die angestrebte Vertragsänderung nicht betroffen wäre, gebe es auch keinen Grund für Gegengeschäfte. Zudem würde ein Öffnen des EU-Vertrages an mehreren Stellen das Verfahren erheblich verlangsamen.
GESONDERTER "EURO PLUS" VERTRAG WIRD WAHRSCHEINLICHER
Deutschland wolle trotz der kritischen Stimmen aus einigen Partnerländern weiter als bevorzugten Weg eine Änderung des EU-Vertrages, wurde in der Regierung betont. Aber wenn dies nicht gehe, werde ein Vertrag im Rahmen von "Euro Plus" angestrebt. Nur durch verbindliche Regelungen könnten die Investoren wieder Vertrauen in die Eurozone finden. Neben den 17 Euro-Staaten seien die anderen EU-Staaten aber ausdrücklich eingeladen, sich den wesentlich verbindlicheren Regelungen bei der Haushaltsdisziplin zu unterwerfen. Offenbar geht man davon aus, dass sich eine Handvoll Nicht-Euro-Staaten anschließen könnten. Eine Umsetzung im Rahmen "Euro Plus" wäre schneller möglich als eine EU-Vertragsänderung, wurde eingeräumt. Zudem könnte das neue Regelwerk in den noch nicht umgesetzten Vertrag über einen dauerhaften Euro-Rettungsmechanismus ESM aufgenommen werden.
Kernelemente einer Vertragsänderung soll nach deutsch-französischem Willen sein, den Rechtsrahmen an zwei Stellen entscheidend zu stärken, um Haushaltsdisziplin für alle Euro-Staaten zu erzwingen. Zum einen sollen in dem Vertrag nach den deutsch-französischen Vorstellungen gemeinsame Regelungen für nationale Schuldenbremsen festgelegt werden, die dann jeweils Verfassungsrang erhalten sollen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) soll auf Antrag von EU-Kommission oder Mitgliedstaaten prüfen können, ob die nationalen Regeln umgesetzt werden. Außerdem sollen bei einem Verstoß gegen die Defizitobergrenze im jährlichen Budget von drei Prozent ein automatisches Defizitverfahren in Gang gesetzt werden, das nur noch von einer qualifizierten Mehrheit von Mitgliedsstaaten gestoppt werden könnte. "Damit würden wir einen sehr großen Schritt vorankommen", heiß es.
Sehr kritisch wurden die Vorschläge beurteilt, die Van Rompuy und EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso am Dienstag vorgelegt hatten und die vor allem Maßnahmen betreffen, mit denen entweder keine oder nur eine minimale Vertragsänderung nötig wäre. "Dies bleibt hinter den Erwartungen dessen zurück, was für die Öffentlichkeit und die Märkte erforderlich ist", hieß es in Berlin.
KEIN BANKENSTATUS FüR ESM
Ausdrücklich schloss die Bundesregierung einen Bankstatus für den dauerhaften Rettungsfonds ESM aus, dessen Start Deutschland und Frankreich möglichst auf Ende 2012 vorziehen wollen. "Das würde in eine völlig falsche Richtung führen", hieß es. Genauso eindeutig lehne Deutschland die parallele Nutzung des jetzigen Rettungsschirms EFSF und des ESM ab. Diese Forderung war in Brüsseler EU-Kreisen genannt worden, um mehr Geld für die Hilfe zur Verfügung zu haben. "Es bleibt auf jeden Fall bei einer Obergrenze von 500 Milliarden Euro", hieß es mit Blick auf den maximalen Rahmen nationaler Garantien für den ESM. Euro-Bonds lehnte die Bundesregierung erneut strikt ab.
Auf dem Gipfel werde auch über eine stärkere Einbeziehung des Internationalen Währungsfonds (IWF) bei Rettungsaktionen für angeschlagene Euro-Staaten gesprochen. Es sei aber unklar, ob es dabei jetzt schon zu Entscheidungen komme. Ausdrücklich wurde betont, dass Deutschland und Frankreich keine Sonderregelungen für Staatsanleihen in der Euro-Zone mehr wollten. Bisher war geplant, beim permanenten Rettungsmechanismus ESM routinemäßig ein überschuldetes Land zu Verhandlungen mit den privaten Gläubigern über einen Schuldenschnitt zu verpflichten. Stattdessen will sich die Euro-Zone künftig nach dem Vorgehen des IWF richten - "da kann es hier und da auch zu privater Gläubigerbeteiligung kommen", hieß es dazu.
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