Höhere Zinsen in Sicht

suanc2008

Die Mehrheit der befragten Volkswirte glaubt allerdings, dass der Zinsschritt im zweiten Halbjahr dieses Jahres kommen wird. Dem FTD-Konsens zufolge wird der Leitzinssatz in einem Jahr dann bei 1,5 Prozent liegen. Sechs der 22 befragten Ökonomen rechnen jedoch mit einem höheren Wert - 1,75 oder gar 2,0 Prozent.
Das Ergebnis der Zinsumfrage zeigt, dass die meisten professionellen Zentralbankbeobachter kurzfristig gelassen auf die rhetorische Schärfe vieler EZB-Vertreter reagieren. Am Wochenende warnte Italiens Notenbankchef Mario Draghi, das Aufkommen inflationärer Spannungen mache es notwendig, den Fahrplan zur Wiedereinführung "normaler geldpolitischer Bedingungen und Zinssätze genau zu prüfen".
Im Laufe der vergangenen Woche hatte auch EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark gesagt, die Inflationsrate werde "sehr wahrscheinlich 2011 über 2,0 Prozent bleiben". Damit würde die Teuerungsrate über dem Wert von knapp 2,0 Prozent liegen, den die EZB anstreb

Befeuert werden die Inflationsängste vom rasanten Anstieg des Ölpreises in den vergangenen Tagen. Hinzu kommt ein deutlicher allgemeiner Teuerungstrend bei den Rohstoff- und Lebensmittelpreisen weltweit, der seit Monaten anhält. Bereits nach der vergangenen EZB-Ratssitzung im Februar hatte Notenbankpräsident Jean-Claude Trichet erstmals gesagt, der weltweite Rohstoff- und Lebensmittelpreisanstieg schlage sich nun auch in den Vorstufen der Produktion nieder. Damit besteht die Gefahr, dass es zu sogenannten Zweitrundeneffekten kommt, also zu Lohn- oder Preiserhöhungen als Reaktion auf Kostensteigerungen.
In der FTD-Zinsumfrage zeigten sich die meisten Bankenökonomen dennoch überzeugt, dass die EZB auf die gestiegene Inflationsgefahr zunächst nur mit schärferer Rhetorik reagieren wird. Jürgen Michels von der US-Großbank Citigroup geht davon aus, dass der EZB-Rat am Donnerstag in seiner gemeinsamen Erklärung erstmals "ein wachsendes Risiko für Preisstabilität in mittlerer Frist" für den Euro-Raum feststellen wird. Als Folge könnte dann die Formulierung aus der Februar-Erklärung gestrichen werden, laut der der aktuelle Leitzinssatz "noch angemessen" sei. Verschwindet diese Formulierung, wäre das ein deutliches Signal, dass die Währungshüter eine Zinserhöhung anpeilen.