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Die Immobilienkrise kehrt zurück. Im Jahr 2008 war es der Kollaps am Markt für Einfamilienhäuser in den USA, der die Welt in die Rezession stürzte. Nun schocken Milliardenverluste bei Gewerbeimmobilien die Anleger. Der Morgan-Stanley-Fonds "Msref VI International" überraschte seine Anleger Finanzkreisen zufolge jetzt mit einem Milliardenverlust. Einer der weltweit größten auf Bürogebäude und Einkaufszentren ausgerichteten Investmentfonds verlor im vergangenen Jahr fast zwei Drittel seines Werts. Insgesamt belaufen sich die Buchverluste auf 5,4 Mrd. Dollar.
Viele Experten in der Finanzbranche hatten das Platzen der Blase im Markt der Gewerbeimmobilien länger schon vorhergesagt. "Der Kaiser läuft bereits nackt durch die Straße, aber niemand wollte es sehen. Alle unterhielten sich noch lautstark über Farbe und Schnitt", sagte Tony Wood, US-Immobilienexperte und Autor des Buches "Der Gewerbeimmobilien-Tsunami", in Anspielung auf das Märchen von Hans Christian Andersen.
Die Zeit des Wegschauens und Ignorierens des Problems scheint nun vorbei zu sein. Die Eigenkapitalverluste von 5,4 Mrd. Dollar, mit denen der ehemals 8,8 Mrd. Dollar große Morgan-Stanley-Fonds "Msref VI International" jetzt seine Investoren überraschte, haben weltweit die Anleger aufgeschreckt.
Die Krise am Markt für Gewerbeimmobilien könnte ähnliche Ausmaße annehmen wie das gerade abklingende Desaster bei den privaten Immobilien. Allein in den USA sind nach Expertenschätzungen wegen des Einbruchs des Marktes um 40 Prozent in den nächsten Jahren Gewerbeimmobilienkredite im Wert von bis zu 1,4 Billionen Dollar vom Ausfall gefährdet. Zum Vergleich: Vor dem Kollaps des Marktes für Einfamilienhäuser in den USA lag das Volumen der zweitklassigen Hypothekenkredite ("Subprime") in der gleichen Größenordnung.
Anders als damals betrifft das Problem aber nun nicht mehr nur den US-Markt. Gewerbeimmobilien weltweit sind betroffen. Nahezu überall auf der Welt hatte die Niedrigzinspolitik der Notenbanken die Spekulanten angelockt. In Asien türmten sich in den Jahren 2004 bis 2007 die aus Mieterträgen und Wertzuwächsen zusammengesetzten Renditen im Schnitt zweistellig auf bis zu 30 Prozent pro Jahr auf. Doch seitdem kennen sie nur eine Richtung: abwärts. Im Jahr 2009 erreichten die Verluste auf gleicher Total-Return-Basis an schwachen Standorten bis zu minus 15 Prozent. Das gleiche desolate Bild bei den Mieten. Statt bis zu 25 Prozent Plus hieß es im Vorjahr nach Zahlen des Immobilienvermögensverwalters Aberdeen Property über alle Nutzungsarten hinweg plötzlich minus 15 Prozent.
In Hongkong hat das frische Geld dafür gesorgt, dass die Nettoanfangsrenditen nach Beobachtung der Experten von Credit Suisse auf niedrige drei Prozent gefallen sind. Das heißt: Die Investoren kaufen Gebäude etwa zum 33-fachen der Jahremiete. An guten europäischen Standorten wird in normalen Marktphasen etwa zwanzig Mal die Miete bezahlt. Ähnliche Verhältnisse wie nun in Hongkong gab es zeitweise in den Boomjahren in London. In einer kurzen Ausnahmeperiode warfen Immobilien weniger Rendite ab als britische Staatsanleihen.
Der Hintergrund für die weltweiten Probleme ist relativ simpel. Wegen der Rezession fallen vor allem in Europa und den USA die Gebäudewerte und Mieten, während die Leerstandsquoten steigen. So brachen in den USA die Immobilienpreise je nach Region um 30 bis 40 Prozent ein. Das heißt, die Besitzer der Immobilien, sehr oft Fonds, kämpfen gleichzeitig mit Wertverlusten in der Bilanz und sinkenden Mieteinnahmen.
"Wegen der Folgen der tiefen Rezession der vergangenen zwei Jahre werden die Leerstände weiter steigen und viele Besitzer von Gewerbeimmobilien werden weiter Konzessionen bei den Mieten machen müssen", sagte Lawrence Yun, Chefvolkswirt des US-Maklerverbandes NAR, kürzlich bei Vorstellung des Jahresausblicks der Organisation.
Um das Desaster komplett zu machen müssen viele Fonds die riesigen, oft nur wenige Jahre laufenden Kredite, mit denen sie die Käufe finanziert haben, neu finanzieren. Allein in den USA müssen Schätzungen zufolge in den kommenden Jahren solche Darlehen in Höhe von 1,4 Billionen Dollar neu abgeschlossen werden.
Wegen der Finanzkrise ist das aber oftmals unmöglich. Daher schätzt die Deutsche Bank, dass bis zu 65 Prozent der Darlehen vom Ausfall gefährdet sind, weil Bauherren und Investoren in die Insolvenz schlittern. "Wie nie zuvor in der Geschichte wird in den nächsten drei Jahren eine riesige, hurrikanartige Welle fällig werdender Hypotheken hochverschuldeter Bauherren über die US-Wirtschaft hereinbrechen", sagte Immobilienexperte Tony Wood dem Handelsblatt.
Den Banken, nicht nur in den USA, drohen dadurch massive neue Problem. Experten wie die Harvard-Professorin Elizabeth Warren schlagen Alarm: "Bis zu 3 000 mittelgroße Banken haben eine gefährliche Konzentration von Gewerbeimmobilienkrediten in ihren Büchern." Damit seien knapp 40 Prozent der US-Banken in ihrer Existenz bedroht.
Bislang hat die Finanzkrise nur 216 Institute kollabieren lassen. Betroffen von den neuerlichen Problemen sind vornehmlich kleine und mittelgroße Institute, die - anders als die Wall-Street-Häuser - Verluste aus dem Immobiliengeschäft nicht mit Gewinnen aus den Investment-Banking kompensieren können.
So hat Morgan Stanley die Verluste aus den eigenen Investments in seinen Fonds Finanzkreisen zufolge bereits im vergangenen Jahr wertberichtigt. Gemeinsam mit seinen Angestellten hatte die Bank ursprünglich 20 Prozent des Fondsvolumens gestellt. Die Bank konnte die Verluste wegen des guten Kapitalmarktgeschäftes verdauen.
Das Refinanzierungsproblem begleitet die Branche noch bis 2017
Das Problem auslaufender Kredite, für die es kein frisches Geld gibt, ist nicht auf die USA beschränkt. "Das Refinanzierungsproblem wird die Branche noch bis 2017 begleiten und zu Verlusten führen", sagt der Vorstand des Immobilienfinanzierers Westimmo, Claus-Jürgen Cohausz. Ähnlich pessimistisch ist die Ratingagentur Moody's.
Ab nächstes Jahr müssen in Europa sehr hohe Kreditvolumina aus Hypothekenanleihen (CMBS) refinanziert werden: dieses Jahr geht es um rund sieben Mrd. Euro, in den darauf folgenden zwei Jahren geht es jeweils um etwas mehr als 15 Mrd. Euro. Der Spitzenwert wird im Jahr 2013 erreicht, wenn über 20 Mrd. Euro fällig werden.
Das Problem dieser Finanzierungen: ihr Marktwert ist so deutlich gefallen, dass die Banken ihnen nur noch geringere Kreditsummen zur Verfügung stellen dürften. Während die Banken in den Jahren 2006 und 2007 sehr großzügig Kredite verteilten und dabei auch einen hohen Anteil der Finanzierungen übernahm, sind die Institute mittlerweile sehr viel konservativer geworden und wollen oft nur noch 60 Prozent des Marktwerts von Immobilien finanzieren.
Auch die deutschen Banken sind gefährdet: Etwas mehr als die Hälfte aller ausstehenden Gewerbeimmobilienkredite deutscher Banken, genauer 51,4 Prozent, betreffen ausländische Objekte, berichtet der Verband deutscher Pfandbriefbanken (VdP).
Nahezu alle Großbanken haben Anlegergelder in die weltweiten Immobilienmärkte investiert, vorneweg die Problemkinder der deutschen Bankenlandschaft, die Münchener Hypo Real Estate und die zur Commerzbank gehörende Eurohypo. Allein bei der der Eurohypo wird das Gesamtengagement (Exposure at default) bei Gewerbeimmobilien mit 74 Mrd. Euro beziffert - die USA und Spanien sind mit jeweils 5 Mrd. Euro vertreten, Großbritannien mit acht Mrd. Euro. Insbesondere in den USA haben die Sicherheiten, mit denen die Kredite unterlegt sind, im vergangenen Jahr deutlich an Wert verloren.
Das Kreditbuch der HRE betrug zum Jahresende 57 Mrd. Euro, von denen sechs Mrd. Euro die USA, fünf Mrd. Euro Großbritannien sowie zwei Mrd. Euro Spanien betrafen. Zu der enorm gestiegenen Risikovorsorge 2009 - sie betrug 1,87 Mrd. Euro - trugen diese Länder überproportional bei, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht. |
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