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Wall Street sucht Orientierung nach Notenbank-Doping
New York (Reuters) - Nach dem Jubel der Wall Street über frische Konjunkturhilfen der US-Notenbank (Fed) dürften sich die Investoren in der neuen Woche zunächst einmal neu sortieren.
Börsianer gehen davon aus, dass nach aufgeheizten Wochen wieder mehr Nüchternheit an die Märkte zurückkehrt. "Derzeit haben wir diese kurzfristige Euphorie. Aber es ist die Frage, was danach kommt", sagt Frank Frantozzi vom Vermögensverwalter Planned Financial Services. "Ich glaube, nach etwa einer Woche ist ein kleiner Rückgang des Marktes zu erwarten, wenn sich die grundlegenden Wirtschaftsdaten nicht ändern." Bis zur US-Präsidentenwahl im November sei dann mit einem schwerfälligen Handel zu rechnen.
Die Fed hatte am Donnerstag unter anderem angekündigt, pro Monat für 40 Milliarden Dollar mit Hypotheken besicherte Wertpapiere kaufen, um den Häusermarkt anzukurbeln. Die Anleger fragen sich nun, ob die Schritte ausreichen. Mit Spannung warten sie auf die nächsten Wirtschaftsdaten. Am Dienstag und Mittwoch stehen Neuigkeiten zum Immobilienmarkt an. Hinzu kommen in der neuen Woche Hinweise auf die Entwicklung der Industrie im September.
Die Erwartungen hängen hoch an den US-Börsen nach der jüngsten Rally. Der Dow-Jones-Index der Standardwerte und der breiter gefasste S&P-500 erreichten am Freitag ihr höchsten Schlussstände seit fast fünf Jahren, der Index der Technologiebörse Nasdaq kletterte sogar auf ein Zwölf-Jahres-Hoch. Nicht nur die Konjunkturspritzen der Fed elektrisieren die Märkte. Hinzu kommt weiter die Aussicht auf Staatsanleihen-Käufe der Europäischen Zentralbank (EZB), die zur Stabilisierung der krisengeplagten Euro-Zone beitragen sollen.
Beides zusammen sorgt Experten zufolge für ein besonderes Markt-Doping. "Wir bewegen uns nun in einen aufregenden Bereich, in dem man auf der Hut sein muss", sagt Richard Ross, technischer Stratege von Aubach Grayson in New York. "Es gilt, die letzten fünf Prozent nach oben herauszuquetschen, wenn es zugleich wieder 15 bis 20 Prozent nach unten gehen kann. Das halte ich für ziemlich gefährlich", ergänzte Ross und verwies auf Risikofaktoren wie die Tumulte in der arabischen Welt wegen eines Mohammed-Schmähfilms. Auch Marktstratege Nicholas Colas von ConverEx Group hat keine Ahnung, wohin die Reise geht: "Schauen wir ehrlich hin: Wir befinden uns wirklich auf Neuland."
Neuland hatte vor genau einem Jahr auch eine Schar von Demonstranten betreten, deren Schlachtruf "Occupy Wall Street" ("Besetzt die Wall Street") sich viele Kapitalismuskritiker zueigen machten. Zwar ebbten die Proteste der Bewegung bald wieder ab. Aber zum ersten Jahrestag am Montag wollen die Aktivisten wieder auf sich aufmerksam machen. Rund um die New Yorker Börse soll am Montag der Verkehr im Finanzdistrikt gestört werden, kündigte eine Sprecherin der Initiative an.
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