Dramatische
Krise an den Finanzmärkten: Die US-Investmentbank Lehman steht vor der
Pleite, zehn Großbanken legen jetzt einen Nothilfefonds an - mit über
70 Milliarden Dollar. Der Dax sackte angesichts der verheerenden
Nachrichten aus den USA kräftig ab.
New York/Frankfurt am Main - Rund ein Jahr nach Beginn der
internationalen Finanzkrise steht das US-Finanzsystem vor einem
dramatischen Umbruch. Die viertgrößte Bank der USA, Lehman Brothers, beantragte am Montag Konkurs.
Zehn internationale Großbanken wollen nun einen Nothilfefonds zur
gegenseitigen Unterstützung in Höhe von 70 Milliarden Dollar auflegen.
An dem Fonds beteiligen sich die Banken Bank of America , Deutsche Bank
, Credit Suisse
, UBS
, Barclays
, Morgan Stanley
, Citibank, Goldman Sachs
, J. P. Morgan und Merrill Lynch
. Das kündigten die Unternehmen gemeinsam an. Jedes Institut will demnach sieben Milliarden Dollar in den Fonds einzahlen.
Im Falle von Liquiditätsengpässen könne jede dieser Banken bis zu
einem Drittel der Gesamtsumme von 70 Milliarden Dollar aus diesem
Hilfsfonds erhalten. Weitere Banken könnten sich dem Konsortium
anschließen, dann könnte auch die Summe steigen. Mit dem Fonds wollen
die Banken die Auswirkungen von Marktverwerfungen abfedern, die durch
die Insolvenz der US-Investmentbank Lehman Brothers hervorgerufen
werden.
"Schwarzer Sonntag" an der Wall Street
Lehman Brothers, andere Banken und die US-Notenbank hatten am
Wochenende über eine Rettung der Investmentbank beraten. Doch die
Verhandlungen scheiterten. Die britische Barclays Bank und die Bank of
America, die als potentielle Käufer galten, zeigten Zeitungsberichten
zufolge bis Sonntagabend kein Interesse mehr an einer Lehman-Übernahme.
An der Wall Street sprachen Börsianer von einem "schwarzen Sonntag".
Am Montag kündigte Lehman Brothers an, das Unternehmen werde
Gläubigerschutz beantragen, um seine Vermögenswerte zu schützen. Lehman
hatte vergangene Woche im Zuge der Immobilienkrise einen Verlust von
3,9 Milliarden Dollar im dritten Quartal bekanntgegeben. Die Aktie der
Investmentbank verlor daraufhin bis Freitag mehr als drei Viertel ihres
Werts.
Die ebenfalls angeschlagene Bank Merrill Lynch, drittgrößtes Geldhaus der USA, hat offensichtlich einen Retter gefunden.
Die Bank of America werde Merrill Lynch für 50 Milliarden Dollar übernehmen,
kündigte sie am Montag an. Zusammen würden beide Banken "das führende
Finanzinstitut der Welt" bilden, erklärte Merrill-Lynch-Chef John Thain.
Der von den Folgen der Finanzkrise ebenfalls schwer getroffene
Versicherer AIG werde unter anderem seine Luftfahrt-Leasing-Firma ILFC
verkaufen, berichtet die US-Presse. Der einst größte
Versicherungskonzern der Welt brauche von Investoren schnell mehr als
40 Milliarden Dollar, zitiert die "New York Times" eine mit den
Verhandlungen vertraute Person. Demnach habe der Versicherer die
US-Notenbank um einen Überbrückungskredit in dieser Höhe gebeten. Die
Aktien von AIG waren allein am Freitag um 31 Prozent eingebrochen.
Angesichts der befürchteten Folgen für die Finanzmärkte weltweit
kündigte US-Zentralbankchef Ben Bernanke Maßnahmen an, damit die Banken
sich leichter Liquidität beschaffen können. Damit sollten "die potentiellen Risiken und die Störungen des Marktes abgeschwächt werden", erklärte Bernanke.
Die asiatischen Börsen reagierten am Montag mit Verlusten auf die
dramatischen Veränderungen in der US-amerikanischen Bankenwelt. Der
indische Sensex mit 30 führenden Werten verlor im frühen Geschäft nach
nervösen Verkäufen 5,6 Prozent. In Taiwan schloss der wichtige Weighted
Price Index um gut vier Prozent tiefer. Der philippinische Leitindex
der 30 wichtigsten Werte gab ebenfalls um gut vier Prozent nach. Die
Börsen in Hongkong und Sydney verzeichneten dagegen zunächst nur
leichte Verluste. Die asiatische Leitbörse in Tokio war am Montag wegen
eines Feiertages geschlossen.
"Es wird ein extrem spannende Woche"
Auch dem Dax
machte die Lage in der US-Bankenwelt zu schaffen. Zum Handelsbeginn
brach der deutsche Leitindex in den ersten Minuten um drei Prozent auf
6047 Punkte ein. "Die diesjährigen Tiefstände dürften angetastet
werden", sagte ein Händler. Mitte Juli hatte der Dax zeitweise knapp
unter 6000 Zählern notiert. Der MDax verlor 3,09 Prozent auf 7862 Zähler. Der TecDax
startete 3,30 Prozent tiefer bei 738 Punkten. "Auf der Nachrichtenseite
ist sehr viel los, es wird ein extrem spannender Handelstag und eine
spannende Woche", sagte ein Händler am Morgen.
Das Bundesfinanzministerium, die Bundesbank und die Finanzaufsicht
Bafin versuchten in einer gemeinsamen Erklärung am Montagmorgen, für
Ruhe in der Finanzbranche zu sorgen. Die Engagements deutscher
Kreditinstitute bei Lehman Brothers hielten sich in einem
überschaubaren Rahmen und seien verkraftbar, hieß es. Ministerium,
Bafin und Bundesbank stünden in engem Kontakt mit ihren jeweiligen
internationalen Partnerbehörden und den Spitzen der deutschen
Kreditwirtschaft. Sie beobachteten die Entwicklung an den nationalen
und internationalen Finanzmärkten sehr genau.
|